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< Der Energieeffizienzmarkt – Ein Markt in Bewegung
28.04.2016 11:50 Alter: 8 yrs
Kategorie: Nachhaltigkeit

Dekarbonisierung voranbringen

Mitte Dezember 2015 einigten sich die 195 Teilnehmerstaaten der UN-Klimakonferenz in Paris auf ein Abkommen gegen die Erderwärmung. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, bedarf es aber einer zügigen Absenkung der globalen Treibhausgasemissionen (THG). Die Dekarbonisierung der Energieversorgung ist deshalb auch ein integraler Bestandteil der deutschen Energiewende. Ein Gastbeitrag von Dr. Constantin H. Alsheimer, Vorsitzender des Vorstandes der Mainova AG in Frankfurt am Main.


Foto: Catrin Moritz

Die Absenkung der THG-Emissionen kann in dem erforderlichen Umfang nur gelingen, wenn es zu einer weitgehenden Dekarbonisierung, d.h. einem weitgehenden Ausstieg aus der Nutzung fossiler, kohlenstoffhaltiger Energieträger zum Zwecke der Strom- und Wärmegewinnung kommt. Deutschland will dabei Vorreiter sein. Mit der Energiewende soll die Dekarbonisierung vollzogen werden.

 

Im Jahr 2050 sollen dann mindestens 80 Prozent des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Maximal 20 Prozent des Stroms dürfen dann noch mittels fossiler, kohlenstoffhaltiger Energieträger erzeugt werden. Dies sollte möglichst in den Kraftwerken geschehen, die emissionsarm und gleichzeitig hinreichend flexibel sind, um die starken Schwankungen der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien auszugleichen. Nach dem heutigen Stand der Technik sind das Gaskraftwerke und KWK-Anlagen in Verbindung mit Fernwärmesystemen.

Dekarbonisierung tritt auf der Stelle

Eigentlich sollen Ausbau der erneuerbaren Energien und Dekarbonisierung Hand in Hand gehen. Während aber der Ausbau der Erneuerbaren seit Jahren vorankommt, tritt die Dekarbonisierung der deutschen Energiewirtschaft auf der Stelle. Dabei hat die Energiewirtschaft in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten ihre THG-Emissionen in durchaus beachtlichem Umfang reduzieren können: So sank von 1990 bis 2015 der THG-Ausstoß des Energiesektors von 427 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent auf 344 Millionen Tonnen.

Diese Minderung der THG-Emissionen verlief aber keineswegs gleichmäßig. Nachdem zu Beginn der 1990er Jahre noch ein starker Rückgang zu verzeichnen war, verlangsamte sich das Reduktionstempo. Seit 2001 überschreiten die Treibhausgasemissionen des Energiesektors den durch die nationalen Klimaschutzbeschlüsse festgelegten linearen Minderungspfad und stiegen im Zeitraum von 2011 bis 2013 sogar wieder etwas an.

Stimmt der Energiepolitische Ordnungsrahmen?

Verantwortlich für diese jüngste Entwicklung ist die Art und Weise, wie die Energiewende im Stromsektor umgesetzt wird. Durch den subventionierten Ausbau Erneuerbarer Energien, die zu Grenzkosten nahe Null produzieren, ist der Preis für die Megawattstunde Strom am sogenannten Energy-Only-Markt weiter stark gesunken. Die Folge: hocheffiziente emissionsarme Gaskraftwerke wurden aus dem Markt gedrängt, während alte emissionsintensive Braunkohlekraftwerke noch Geld verdienten und rund um die Uhr am Netz waren. Mitverantwortlich für diese Entwicklung ist auch die fehlerhafte Konfiguration des EU-Emissionshandels (ETS). Das niedrige Preisniveau für CO2-Emissionsrechte begünstigt die Verstromung der emissionsintensiven Braunkohle.

Wegen des anhaltenden Booms der Braunkohle ist mittlerweile sogar das Erreichen der nationalen Klimaschutzziele für das Jahr 2020 gefährdet. Die Bundesregierung hat darauf mit einem Paket von Sondermaßnahmen reagiert. So ist unter anderem vorgesehen, eine Reihe alter Braunkohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt ab diesem Jahr in eine sogenannte Klimareserve zu überführen und sie dann nach vier Jahren endgültig stillzulegen. Das Grundproblem bleibt davon allerdings unberührt. Es besteht darin, dass der energiepolitische Ordnungsrahmen den notwendigen Strukturwandel der konventionellen Stromerzeugung nicht gewährleisten kann.

Rahmenbedingungen ändern

Die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft droht stecken zu bleiben. Denn werden die Rahmenbedingungen nicht geändert, dürfte in Deutschland sauberer Strom aus Gaskraftwerken am Markt dauerhaft keine Chance haben, während die emissionsintensiven Braunund Steinkohlekraftwerke noch auf Jahre hinaus am Netz bleiben. So konterkarieren wir das eigentliche Ziel der Energiewende, nämlich den Klimaschutz.

Auf einen Anstieg der CO2-Zertifikate-Preise zu setzen erscheint auch nicht zielführend. Eine Änderung der Einsatzreihenfolge der Kraftwerke ergibt sich erst bei Preisen von etwa 50 Euro pro Tonne CO2. Fraglich bleibt aber, ob ein derartig straffes ETS-Regime auf EU-Ebene überhaupt realisierbar ist. Zu divergent sind in dieser Frage die Interessen der europäischen Mitgliedsstaaten.

Strukturbrüche vermeiden

Wenn Energiewende erfolgreich sein soll, muss die Politik darüber nachdenken, wie der erforderliche Umbau der konventionellen Stromerzeugung geordnet und ohne Strukturbrüche langfristig organisiert werden kann. Es bedarf ergänzend zum ETS eines geeigneten Instruments, mit dem sich die Dekarbonisierung der deutschen Energiewirtschaft bei gleichzeitiger Wahrung von Versorgungszuverlässigkeit und Bezahlbarkeit der Stromversorgung umsetzen lässt.

Dieses Instrument sollte so wettbewerblich wie nur möglich ausgestaltet sein, um eine effiziente Allokation der Ressourcen zu ermöglichen. Die ausschlaggebende Steuerungsgröße für die Dekarbonisierung sollten die CO2-Vermeidungskosten sein und Gaskraftwerke und KWK-Anlagen angemessen, d. h. entsprechend ihrer geringeren CO2- Intensität behandelt werden. Denn KWK ist einfach die günstigste Form der CO2-Vermeidung. Das gilt insbesondere in Verbindung mit Fernwärme für urbane Ballungsräume. Diesem Umstand gilt es Rechnung zu tragen.

Ein geeignetes Instrument können Regelungen sein, die handelbare Restlaufzeiten oder Einspeisemengen für Kraftwerke entsprechend des jeweiligen CO2-Ausstoßes definieren. Szenarioanalysen zufolge können solche Regelungen tatsächlich dafür sorgen, dass es in den kommenden Jahren zu einer sukzessiven Abschaltung zunächst der emissionsintensiven Braunkohlekraftwerke und dann auch der Steinkohlekraftwerke käme.
Ein geeignetes Instrument können Regelungen sein, die handelbare Restlaufzeiten oder Einspeisemengen für Kraftwerke entsprechend des jeweiligen CO2-Ausstoßes definieren. Szenarioanalysen zufolge können solche Regelungen tatsächlich dafür sorgen, dass es in den kommenden Jahren zu einer sukzessiven Abschaltung zunächst der emissionsintensiven Braunkohlekraftwerke und dann auch der Steinkohlekraftwerke käme.
Die so entstehende Lücke in der Produktion konventionellen Stroms kann von den emissionsarmen Gaskraftwerken geschlossen werden. Ihr Betrieb würde infolge der Angebotsverknappung wieder wirtschaftlicher, ohne negative gesamtwirtschaftliche Folgen. Der mit einer solchen Lösung einhergehende Preisanstieg wäre moderat. Er würde sich nach einem Gutachten des Agora-Instituts in der Größenordnung von 0,2 bis maximal 0,5 Cent pro kWh Strom bewegen.

Indirekte Regelungsinstrumente vermeiden

Regelungen auf Steuern, Abgaben oder sonstige zusätzliche finanzielle Verpflichtungen – etwa eine On-Top-Zertifikate-Pflicht oder eine CO2-Steuer für Kraftwerke – sind unbedingt zu vermeiden. Solche indirekten Instrumente würden erst bei hohen finanziellen Belastungen Wirkung zeigen und gingen insofern mit einer starken Erhöhung des Endkundenstrompreises einher – das aber wäre aus sozialpolitischen wie auch aus wirtschaftspolitischen Gründen nicht akzeptabel. Außerdem kann eine On-Top-Zertifikate- Pflicht oder eine CO2-Steuer dazu führen, dass es letztlich nur zu einer Verlagerung CO2-intensiver Stromproduktion ins benachbarte Ausland käme.

Mit einer Regelung, die handelbare Restlaufzeiten oder Einspeisemengen für konventionelle Kraftwerke vorsieht, könnte Deutschland hingegen eine wichtige Weiche stellen, um seine nationalen Klimaziele zu erfüllen und auf internationaler Ebene seiner Rolle als Vorreiter und Vorbild in Sachen Klimaschutz weiterhin gerecht zu werden.

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